Du 907 | Juli 2021 | Stars by Alberto Venzago
Stars by Alberto Venzago
Chamäleon
Von Oliver Prange
Alberto Venzago gehört in die Reihe der besten Reportage-Fotografen. Der «ICP Infinity Award»-Gewinner ist auf Augenhöhe mit den Grossen. Burri, Bischof, Frank. Er hat die Fähigkeit, mit seiner Kamera nahe an den Menschen zu sein, ohne dass diese ihn bewusst wahrnehmen. Er ist eigentlich gar nicht da. Und er hat eine eigene Handschrift dazu gefunden. Seine Schwarz-Weiss-Bilder zeugen von einer Intimität, die oft schmerzt. Über fünf Jahrzehnte entstanden intime Porträts und Zeitdokumente – über Vodoo-Geisterheiler in Westafrika, die japanische Mafia, Kinderprostituierte in Manila, das geheimnisvolle Pentagon – und über weltbekannte Musiker, Maler, Schauspieler und Künstler. Nicht die namenlosen Ausgebeuteten oder Ausbeuter, die oft im Schatten leben, sind das Thema dieser Du-Ausgabe. Sondern die, die im Scheinwerferlicht stehen. All die, die es gewohnt sind, sich vor der Kamera zu präsentieren, in Pose zu setzen. Die wissen, was das Klicken des Verschlusses einer Kamera bedeutet. Die wissen, wann das Licht vorteilhaft ist – oder eben nicht. Venzago reiste ein Leben lang herum, war über Jahrzehnte nirgends in der Welt angemeldet, er existierte offiziell gar nicht. Er ist wie ein Chamäleon, mal hier, mal dort, passt sich seiner Umgebung an. Er ist ein Abenteurer, der nebenbei Zeitgeschichte dokumentiert hat. Er ist einer, der immer locker, scheinbar übermütig an seine Reportagen herangeht. Er macht sich keine Sorgen um sich selber – er ist nur um gute Bilder besorgt. Nonchalance und Engagement, Frechheit und Ernsthaftigkeit, das ist eine Mischung, die er für seine Themen aufbringt. Sein Lebenswerk ist ab dem 9. Juli 2021 im Museum für Gestaltung in Zürich zu sehen.