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Du 874 | März 2017

Luftbildfotografie

 
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ISBN:
978-3-905931-72-3
Preis:
CHF 20.- / EUR 15.-
Status:
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Text: Peter Richter | Bilder: Trevor Paglen 
Ich kann euch sehen 
Trevor Paglen gilt als Edward Snowden der Kunst: Er beobachtet die, die uns beobachten. So schafft der Amerikaner Werke von erhabenem Schrecken. In seinen Bildern dokumentiert er unter anderem geheime Stützpunkte der amerikanischen Geheimdienste CIA und NSA sowie des Militärs, Spionagesatelliten am Nachthimmel oder geheimdienstliche Aktivitäten.

Frank-Thorsten Moll
Die Vogelperspektive in der Kunst 
Über Jahrhunderte war der Mensch von der Idee getrieben, sich von der Erde zu lösen, sich in die Lüfte zu erheben und die Welt vom Himmel aus zu betrachten. Die Befreiung von der als limitierend empfundenen Erdgebundenheit war verbunden mit der Idee von Macht und Kontrolle. In der Vorstellung war der Himmel den Göttern vorbehalten, die durch die mensch­liche Hybris, sich zu ihnen zu erheben, herausgefordert wur­den. Als sich jedoch Ende des 18. Jahrhunderts erste Ballone in die Luft erhoben, mussten die Götter den Himmel mit den Menschen teilen. 

Text: Claudia Giani-Leber | Bilder: Kacper Kowalski
Side Effects    
Kacper Kowalskis Bilder sind zunächst präzise Wiedergaben aus der Luft, allerdings in die völlige Zweidimensionalität gedrückt. Das Dreidimensionale des Raums sowie die beson­ders in der Landschaft erfassbare Perspektive entfallen ganz und verschieben die Aufnahmen der Natur in die Abstraktion.
    
Text: Martin Stohler | Bilder: Nadar 
Der erste Luftbildfotograf 
Gaspar-Félix Tournachon, genannt Nadar, gilt heute als einer der berühmtesten Fotografen des vorigen Jahrhunderts. Er war ein Hansdampf in allen Künsten, ein Abenteurer, der sich auf vielen Gebieten versuchte. Er war Medizinstudent, Jour­nalist, Karika­turist, Verleger, Fotograf, Spion, Schriftsteller und Ballonfahrer. Er machte als Erster vom Ballon aus Luftauf­nahmen, und als einer der Ersten fotografierte er bei elek­t­r­i­schem Licht. Seine Kunstlichtaufnahmen der Pariser Katakomben waren auf der Londoner Weltausstellung von 1862 ein grosser Erfolg.

Text und Bilder: Georg Gerster 
Fundsachen 
Georg Gerster leistete in den Fünfziger- und Sechzigerjahren Pionierarbeit in der Luftbildfotografie. Er dokumentiert die Wirklichkeit, die uns umgibt, fast senkrecht von oben. In vielen tausend Flugstunden hat er ein Bild der Erde geschaffen, das sie gleichermassen in ihrer Schönheit und ihrer Gefährdung beschreibt. In diesem Essay schildert er seine Erlebnisse. 

Text und Bilder: Georg Gerster 
Die Swissair-Plakate 
Ein Werkstattbericht. 

Text: Alex Capus | Bilder: Eduard Spelterini
Über die Alpen 
Der Schweizer Eduard Spelterini war ein bedeutender Ballonpionier und europaweit bekannt. Ab 1893 nutzte er seine Ballonfahrten für atemberaubende Luftaufnahmen. Als erster Mensch überflog Spelterini die Alpen und fotografierte sie, er verewigte Schweizer Städte, aber auch die Pyramiden von Gizeh sowie Städte und Landschaften in Ägypten, im Orient und in Südafrika. 

Timo Lieber im Gespräch mit Ute Noll | Bilder: Timo Lieber
Lights of London 
Bei klirrender Kälte im Winter fotografierte Timo Lieber aus dem Hubschrauber Londoner Wahrzeichen im funkelnden Lichtermeer der Nacht. 

Olivo Barbieri im Gespräch mit Stephen Hepworth | Bilder: Olivo Barbieri
Die Welt als Miniaturmodell 
Olivo Barbieri leuchtet in seinen Fotografien menschliche Lebensräume so aus, dass unbekannte Facetten der Realität ans Licht treten. Stilistisches Erkennungsmerkmal seiner Aufnahmen ist eine geringe Tiefenschärfe, die den Eindruck erweckt, es handle sich um Miniaturmodelle. 

  Du 874 | März 2017 | Luftbildfotografie

Luftbildfotografie

Die Welt von oben

Von Oliver Prange

Über Jahrhunderte war der Mensch von der Idee getrieben, sich von der Erde zu lösen, sich in die Lüfte zu erheben und die Welt vom Himmel aus zu betrachten. Die Befreiung von der als limitierend empfundenen Erdgebundenheit war verbunden mit der Idee von Macht und Kontrolle. In der Vorstellung war der Himmel den Göttern vorbehalten, die durch die menschliche Hybris, sich zu ihnen zu erheben, herausgefordert wurden. Als sich jedoch Ende des 18. Jahrhunderts erste Ballone in die Luft erhoben, mussten die Götter den Himmel mit den Menschen teilen. Die himmelstürmenden Luftfahrtpioniere brachten seither neben immer neuen technischen und fliegerischen Höchstleistungen auch gänzlich neue Bilder von ihren Flügen zurück. Die Kultur des 20. Jahrhunderts erhielt dadurch wichtige Impulse. Gaspar-Félix Tournachon, genannt Nadar, gilt heute als einer der berühmtesten Fotografen des vorigen Jahrhunderts. Er war ein Hansdampf in allen Künsten, ein Abenteurer, der sich auf vielen Gebieten versuchte. Er war Medizinstudent, Journalist, Karikaturist, Verleger, Fotograf, Spion, Schriftsteller und Ballonfahrer. Er machte als Erster vom Ballon aus Luftaufnahmen, und als einer der Ersten fotografierte er bei elektrischem Licht. Seine Kunstlichtaufnahmen der Pariser Katakomben waren auf der Londoner Weltausstellung von 1862 ein grosser Erfolg. Der Schweizer Eduard Spelterini war ein bedeutender Ballonpionier und europaweit bekannt. Ab 1893 nutzte er seine Ballonfahrten für atemberaubende Luftaufnahmen. Als erster Mensch überflog Spelterini die Alpen und fotografierte sie, er verewigte Schweizer Städte, aber auch die Pyramiden von Gizeh sowie Städte und Landschaften in Ägypten, im Orient und in Südafrika. Der Schweizer Georg Gerster leistete in den Fünfziger- und Sechzigerjahren Pionierarbeit in der Luftbildfotografie. Er dokumentierte die Wirklichkeit, die uns umgibt, fast senkrecht von oben. In vielen tausend Flugstunden schuf er ein Bild von der Erde, das sie gleichermassen in ihrer Schönheit und ihrer Gefährdung beschreibt. Gerster: «Als Flugfotograf suche ich, was ich nicht verloren habe, und finde, was ich nicht suche.» Für seine Arbeit mietete er meist einmotorige Kleinflugzeuge. Für Flüge über offenes Wasser und für die Arbeit im Gebirge waren ihm freilich zwei Motoren lieber. Bedingung bei der Anmietung war, dass sich eine Tür entfernen, ein Fenster voll öffnen liess; Flugzeuge mit Druckkabinen standen nicht zur Diskussion. Beim Flug lehnte er sich hinaus. Das war eine luftige, zugige Methode, aber sie gewährleistete ohne aufwendige technische Vorkehrungen und komplizierte Flugmanöver den Blick fast senkrecht nach unten. Es brauchte grosse Überredungskünste, um Piloten zur Reduktion ihres Flug­geräts auf dessen Skelett zu bewegen. Zuweilen verlor er ein Gehäuse über der Sahara, einen Belichtungsmesser über dem Great Barrier Reef, ein Weitwinkelobjektiv über dem Kap der Guten Hoffnung. Wir beleuchten in dieser Du-Ausgabe aber auch zeitgenössische Fotografen der Luftbildfotografie. Trevor Paglen gilt als Edward Snowden der Kunst: Er beobachtet die, die uns beobachten. So schafft der Amerikaner Werke von erhabenem Schrecken. In seinen Bildern dokumentiert er unter anderem geheime Stützpunkte der amerikanischen Geheimdienste CIA und NSA sowie des Militärs, Spionagesatelliten am Nachthimmel oder geheimdienstliche Aktivitäten. Olivo Barbieri leuchtet in seinen Fotografien menschliche Lebensräume so aus, dass unbekannte Facetten der Realität ans Licht treten. Urbane Zentren in China oder Amerika dominieren seine foto­grafischen Serien neben Naturattraktionen wie etwa den Dolomiten, den Alpen oder der Insel Capri sowie berühmten Wasserfällen in Kanada, Argentinien, Simbabwe. Stilistisches Erkennungsmerkmal seiner Aufnahmen ist eine geringe Tiefenschärfe, die den Eindruck erweckt, es handle sich um Miniaturmodelle. Trotz Menschenmassen, Verkehrsströmen, Hochhausketten, Gebirgszügen oder Wasserfluten in satten Farben und starken Kontrasten wirken die dargestellten Welten befremdlich. Durch die lange Belichtung der künstlich erleuchteten Städte wird dieses Gefühl noch verstärkt. Seit zehn Jahren nimmt Kacper Kowalski die polnische Landschaft aus der Höhe auf und zeigt seinen Landsleuten einen ganz neuen und ungewohnten Blick auf ihre Heimat. Kowalskis Bilder sind zunächst präzise Wiedergaben aus der Luft, allerdings in die völlige Zweidimensionalität gedrückt. Das typisch Dreidimensionale des Raums sowie die besonders in der Landschaft erfassbare Luftperspektive entfallen ganz und verschieben die realen Aufnahmen der Natur in die Abstraktion. Erst wenn das Auge des Betrachters den Blick des Fotografen adaptiert hat, werden seine Bilder begreifbar, und das Spiel des Erratens der Motive kann beginnen. Nicht immer zeigt Kowalski das Schöne, doch auch das eigentlich Verstörende und das Hässliche werden von oben herab zu schönen Mustern.