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Du 862 | Dezember 2015

Friedrich Dürrenmatt

Denker – Maler – Weltautor

 
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ISBN:
978-3-905931-58-7
Preis:
CHF 20.- / EUR 15.-
Status:
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Philipp Keel im Gespräch mit Oliver Prange
«Weshalb sollte er um die Erde fliegen? Sein Schreibtisch war seine Welt»
Philipp Keel, der Sohn des Dürrenmatt-Verlegers Daniel Keel, traf Friedrich Dürrenmatt ein paar Tage vor dessen Tod. Er schuf dabei eine Fotoserie des kranken alten Mannes in seiner berührend zerbrechlichen Grösse.

Ruth Dürrenmatt im Gespräch mit Oliver Prange
«Eine Extrawurst gab es für mich nicht – im Gegenteil»
Kenner der Familie Dürrenmatt sagen, dass von seinen drei Kindern die Tochter Ruth den Humor ihres Vaters am meisten geerbt hat. 

Madeleine Betschart im Gespräch mit Oliver Prange
«Er ist nicht nur Schweizer Kulturgut, sondern auch Weltkulturgut geworden»
Seit einem Jahr ist Madeleine Betschart Chefin des Centre Dürrenmatt Neuchâtel und entwickelt Konzepte, um Friedrich Dürrenmatts Literatur und Malerei als ein Gesamtwerk zu vermitteln.

Luc Ciompi 
Im Labyrinth der Seele
Weltallbilder mit explodierenden Sonnen und wütende Todesengel – was ist das für ein Mensch, der solche Bilder malt? Ein Fachmann der Seele findet überraschende Einsichten in die Seelenlandschaft des erklärten Materialisten     Dürrenmatt.

Anna von Planta im Gespräch mit Oliver Prange
«Ich musste eine Rolle spielen, und ich lernte sie, während ich sie spielte»
Sechzehn Jahre lang war Anna von Planta die persönliche Lektorin Dürrenmatts. Am meisten beeindruckt haben sie sein riesiger Schreitisch und seine halsbrecherischen Autofahrten. 

Ulrich Weber
Play it again, Fritz!
Nachdem Dürrenmatt Ende der Sechzigerjahre einen Herzinfarkt erlitten hat, begibt er sich mit dem Stoffe-Projekt auf das Terrain des autobiografischen Schreibens.

Mahmoud Hosseini Zad im Gespräch mit Oliver Prange
«Im Iran gilt Dürrenmatt als philosophierender Stückeschreiber»
Mahmoud Hosseini Zad übersetzte Dürrenmatt aus dem Deutschen ins Persische. Er schätzt an ihm besonders die meisterhaft präzise und lakonische Sprache, bei der man nicht zwischen den Zeilen lesen muss. Alles ist in den Worten.

Ye Tingfang im Gespräch mit Oliver Prange
«Wegen Dürrenmatt halten viele Chinesen die Schweizer für klug und humorvoll»
Was man in der Schweiz kaum weiss: Nur wenige Stücke haben das chinesische Theater der letzten Zeit mehr geprägt als Der Besuch der alten Dame.

Omar Porras im Gespräch mit Oliver Prange 
«Claire Zachanassian ist die Karikatur einer Göttin»
Mit seiner spektakulären Inszenierung in Lausanne gewann Omar Parros 1993 den Preis für die beste Aufführung der französischsprachigen Schweiz und setzte einen Meilenstein in der dürrenmattschen Theaterhistorie. 

Anja Nolte: Illustrationen mit Zitaten aus dem Werk
Der Besuch der alten Dame

Boubacar Boris Diop
Von Güllen nach Colobane
Der afrikanischen Regisseur Mambéty besuchte Dürrenmatt 1985 in Neuchâtel, der ihm sein Stück Der Besuch der alten Dame zur freien Verfilmung überliess. Daraus entstand der Film Hyènes, mit dem Mambéty afrikanische Kinogeschichte geschrieben hat.

Centre Dürrenmatt Neuchâtel
Die Schweizer Heimat im Plakat und Tell-Karikaturen
«Ich bin gern Schweizer», bekannte Friedrich Dürrenmatt und scheute vielleicht gerade deshalb die kritische Auseinandersetzung nicht.

Sibylle Lewitscharoff
Dürrenmatt in Israel
Für keinen anderen Staat hat sich Dürrenmatt, der jede Form des Nationalismus ablehnte, mehr eingesetzt als für Israel, das er 1974 persönlich besuchte. Diese Reise hat Spuren in seinem Werk hinterlassen.

Peter Nobel
Auch Juristen haben ein Recht, zu ihrem Recht zu kommen
Peter Nobel war nicht nur seit 1985 der Anwalt Dürrenmatts, sondern auch dessen Sparringspartner in vielen Lebenslagen und Augenzeuge historischer Augenblicke.

Rudolf Käser
Kosmos und Katastrophe
Dürrenmatt war zugleich fantastischer Visionär und radikaler Verfechter der naturwissenschaftlichen Erkenntnis. Sein Verhältnis zum Kosmos und zum Sternenhimmel belegt dieses Paradoxon.

Text und Bilder: Friedrich Dürrenmatt
Minotaurus

  Du 862 | Dezember 2015 | Friedrich Dürrenmatt – Denker – Maler – Weltautor

Friedrich Dürrenmatt

Denker – Maler – Weltautor

«Die Welt ist eine Pulverfabrik, in der das Rauchen nicht verboten ist.» 

Friedrich Dürrenmatts Sätze gingen um die Welt. Voller Esprit und Humor legen sie Misere und Ungerechtigkeit offen. Sein Willensvollstrecker, der Anwalt Peter Nobel, schreibt über die legendäre Václav-Havel-Rede Die Schweiz – ein Gefängnis: «Das war eine Bombe. Die Versammlung löste sich in grossem Missmut auf.» Dürrenmatt fand das lustig. 
Sein Interesse galt auch der Welt. Israel beschäftigte ihn, wie Sibylle Lewitscharoff darlegt. Die Naturwissenschaften inspirierten ihn zeitlebens, so Rudolf Käser. 
Dieses Jahr feiern wir das Année Dürrenmatt zum Anlass des 25. Todestages von Friedrich Dürrenmatt. Wir laden Sie ein, ihn neu zu entdecken. Wir feiern auch den 15. Geburtstag des Centre Dürrenmatt Neuchâtel, initiiert von Charlotte Kerr, seiner zweiten Ehefrau, gebaut von Mario Botta als Erweiterung des Privathauses und heute als Institution der Schweizerischen Nationalbibliothek in Bern geführt. 
Friedrich Dürrenmatt ist nicht nur ein Schweizer Kulturgut, er ist auch ein Weltkulturgut geworden. Boris Diop erzählt, wie der senegalesische Regisseur Diop Mambéty den Besuch der alten Dame für seinen Film Hyènes in ein senegalesisches Dorf verlegte. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit, wie Peter Brook The Visit für den Broadway in New York adaptierte und Anja Nolte zum gleichen Stück einen Comic zeichnete, exklusiv für dieses Heft. 
Wir haben Zeitzeugen besucht, die ihn persönlich gekannt haben. Diogenes-Verleger Philipp Keel fotografierte ihn nur wenige Tage vor seinem Tod in seinem Haus in Neuchâtel. Er erzählt, wie besorgt Dürrenmatt über eine bevorstehende Weltreise war, für die er sich nicht gewappnet fühlte. 
Tochter Ruth Dürrenmatt berichtet, wie ihr der Vater Gruselgeschichten erzählte, Geister sah, mit diesen schimpfte, bis sie an sie glaubte. Lektorin Anna von Planta erinnert sich, wie er auf ihre Einwände zu Texten reagierte: zuerst oft mit einem lauten, unwilligen «Neeeei!» und dann, nach längeren Exkursen, mit einem langsamen «Ihr heit rächt» (Sie haben recht). 
Im Centre Dürrenmatt Neuchâtel trafen wir den Theaterregisseur Omar Porras und den iranischen Übersetzer Mahmoud Hosseini Zad. Der in Kolumbien geborene Porras vergleicht Friedrich Dürrenmatt mit Gabriel García Márquez, den Besuch der alten Dame mit Hundert Jahre Einsamkeit, Güllen mit Macondo – dieselbe Fantasie, Magie, Spiritualität. Hosseini Zad gefällt Dürrenmatts Stil: präzis, treffend, lakonisch, poetisch, melodiös. So sei es ihm möglich, den Richter und sein Henker im Persischen wiederzugeben. 
Friedrich Dürrenmatts Werk wurde in 44 Sprachen übersetzt. In Indien führte die Übersetzung der Panne ins Marathi zu einer Verfilmung und zur Gründung des Marathi-Kinos. Hörspiele, Fernsehinszenierungen und Kinofilme entstehen und machen sein Werk für ein breiteres Publikum zugänglich. 
Und dabei wollte Friedrich Dürrenmatt ja eigentlich Maler werden. Hin- und hergerissen zwischen Malerei und Schriftstellerei entschied er sich im Alter von 25 Jahren, Schriftsteller zu werden. Doch parallel zum Schreiben malte und zeichnete er sein ganzes Leben lang. Seine Zeichnungen seien nicht Nebenarbeiten, sondern Schlachtfelder, auf denen sich seine schriftstellerischen Kämpfe abspielten. Was dabei in seiner Seele vorgegangen sein könnte, wagt der Psychiater Luc Ciompi zu analysieren. 
Erst mit der Eröffnung des Centre Dürrenmatt Neuchâtel erkannte man, welches monumentale Doppelwerk Friedrich Dürrenmatt geschaffen hat. Direktorin Madeleine Betschart sagt: «Das Centre hat den Zweck, sein umfangreiches Bildwerk zu sammeln, zu erhalten und bekannt zu machen.» Sie will das Museum mit neuen Konzepten weiter öffnen, lokal, national und international, und die interdisziplinäre Forschung verstärken. 
Sein literarischer Nachlass hingegen befindet sich im Schweizerischen Literaturarchiv. Der Dürrenmatt-Spezialist Ulrich Weber arbeitet an einer Neuausgabe der Stoffe, des autobiografischen Werks, und schafft für Du einen Überblick.
Friedrich Dürrenmatt starb am 14. Dezember 1990 – vor 25 Jahren. Er ist auch heute noch der meistübersetzte, meistgelesene und meistgespielte Schweizer Schriftsteller auf der Welt. «Weil man mich meistens falsch verstand, wurde ich berühmt», spöttelte Dürrenmatt. Er hatte Freude an der Übertreibung. Für einen Intellektuellen unüblich, nahm er sich nicht allzu ernst, war natürlich und bescheiden, nicht verkrampft, sondern spontan – ein Unikum. Mit seinem Humor hat er uns das Leben nähergebracht. 
Kurz nach seinem Tod entstand ein erstes Du, 25 Jahre später nun eine zweite Ausgabe zum Année Dürrenmatt. Damit möchten wir das Interesse für diese komplexe und fesselnde Persönlichkeit mit Weltgeltung weiterhin wachhalten. 

Wir bedanken uns bei der Charlotte Kerr Dürrenmatt-Stiftung für die Ermöglichung dieser Ausgabe und Madeleine Betschart für die Zusammenarbeit.