Du 854 | März 2015 | Peggy Guggenheim – Ein Leben für die Kunst
Peggy Guggenheim
Ein Leben für die Kunst
Die einzige Konstante war die Kunst
Von Oliver Prange
Peggy Guggenheim wuchs in einer der reichsten Familien Amerikas auf, war aber während ihrer Kindheit unglücklich, fühlte sich in einem überprivilegierten Gefängnis, ohne Vertrauen, Wärme und Spass. Ihr Vater Benjamin starb beim Untergang der Titanic und hinterliess der Familie ungeordnete Finanzen. Zeit ihres Lebens pflegte sie stürmische Liebschaften zu Männern, die eine Version ihres Vaters waren, Männer, die sich in Welten bewegten, die sie begeisterten, aber die sich auch fern von ihr hielten.
Die einzige Konstante war die Kunst. Von Gemälden und Skulpturen konnte sie nicht betrogen werden. Sie war sensibel, litt unter Depressionen und Unsicherheiten, war aber bemerkenswert belastbar. Sie war das hässliche Entlein der Familie, hatte aber Sinn für Antrieb und Anspruch, der die Guggenheims auszeichnete. Ihr Charakter war in seiner komplexen Mischung aus Arroganz und Selbstzweifel, in seiner Energie und seinem Defätismus wie ein Puzzle – für andere und auch für sie selbst. Sie konnte sich hoffnungslos dem Elend ihrer Minderwertigkeitskomplexe ergeben und hatte dennoch eine Neugier auf das Leben, einen starken Hunger auf neue Erfahrungen und einen starken Wunsch, sich selbst zu verbessern, wodurch sie immer wieder auf die Beine kam.
In jungen Jahren in Paris verkehrte sie in Bars, Buchläden und Kunstgalerien an den Seine-Ufern, wo sie die Welt der Boheme kennenlernte. Sie war aber nicht so reich, wie viele glaubten, musste sorgfältig Buch führen, um sicherzustellen, dass alle anstehenden Angelegenheiten finanzierbar waren. Sie erwartete Wertschätzung und Loyalität, was ihr einige ihrer Freunde und Partner jedoch nicht geben konnten. Viele Freundschaften endeten in Feindseligkeit. Ihr ganzes Leben lang wollte Peggy ihr Geld gut einsetzen, aber sie wollte dafür auch geliebt werden.
1948 fand sie den Palazzo Venier dei Leoni in Venedig als ein Zuhause für ihre Sammlung, ein langes, niedriges Gebäude, das im seltsamen Kontrast zur Pracht einiger seiner Nachbarhäuser am Canal Grande steht. Ihre zusammengetragenen Kunstwerke wurden nach und nach als eine der besten privaten Sammlungen der Welt anerkannt, ihr Palazzo ist inzwischen eine der touristischen Attraktionen von Venedig.
Sie wurde zu einer Grande Dame der Nachkriegsgeneration. In den Fünfzigerjahren bewirtete sie illustre Gäste wie Giacometti, Herbert Read, Chagall, Miró, Cocteau, Cecil Beaton, Henry Moore, Strawinsky und schuf so einen Brückenschlag zu den goldenen Jahren von Surrealismus, Dadaismus und Ballets Russes. «Venedig ist eine Stadt, in die man sich verlieben muss, sodass in deinem Herzen für nichts anderes mehr Platz ist», schrieb sie in ihren Memoiren.
Seit 1985 organisiert die Peggy Guggenheim Collection Ausstellungen von Künstlern, die ihre Gründerin ebenso darbot: Giacometti, Kandinsky, Brancusi, Ernst, Motherwell, Seliger – die Avantgarde des 20. Jahrhunderts. «Im Jahre 2015 finden allein zwei Ausstellungen mit Werken von Jackson Pollock statt, den sie besonders stark gefördert hatte», sagt Philip Rylands, Direktor der Peggy Guggenheim Collection. Bis 6. April Alchemy, nachdem das Werk aufwändig restauriert worden ist, vom 23. April bis 9. November Mural, Pollocks grösstes Gemälde, das zu den wichtigsten Werken US-amerikanischer Kunst des 20. Jahrhunderts gehört. Und vom 23. April bis 14. September findet die erste Retrospektive von Pollocks ältestem Bruder Charles statt.
Nichts in Peggys Leben war einfach. Aber sie hat ein Lebenswerk hinterlassen, das in seiner Art einzigartig ist.