Du 850 | Oktober 2014 | Pravoslav Sovak – Der unbekannte Meister
Pravoslav Sovak
Der unbekannte Meister
Bergung eines unentdeckten Schatzes
Pravoslav Sovak ist 1926 in Böhmen geboren und wohnt seit 1969 am Vierwaldstättersee. Der Künstler hat in den besten Museen der Welt ausgestellt und wird von Kunsthistorikern hoch eingeschätzt.
Aber in den Mainstream passt er nicht. Seine Kunst ist zutiefst intellektuell und auf höchstem technischem Niveau. Sovak macht keine Kompromisse, deshalb ist er auf dem Markt bislang nicht entsprechend präsent. Der Ausnahmekünstler möchte nur mit Menschen zusammenarbeiten, denen er «auf Augenhöhe» begegnen kann. Diese Haltung führt dazu, dass er lange Zeit nicht von internationalen Händlern vertreten wurde, die aus seiner Sicht angemessen wären.
Wer ist Pravoslav Sovak?
Geboren in einer ostböhmischen Kleinstadt, wächst er in einer feinfühligen und belesenen Ärztefamilie auf. Er hat eine glückliche Kindheit, liest mit vierzehn Jahren französische Lyrik, später chinesische Poesie. Schon früh beginnt er zu malen. Weil er etwas kränklich ist, schicken ihn die Eltern für ein Jahr zum Grossvater aufs Land, einem Juristen, der selbst aus einer Försterfamilie stammt und fliessend Latein und Altgriechisch spricht. Er lehrt Sovak alles über Wald und Natur. Später geht er auf eine Kunstschule, studiert an der Karls-Universität in Prag Philosophie, wird Maler und erreicht Bekanntheit durch Ausstellungen in Europa.
Er kauft eine alte Mühle als Atelier, renoviert sie während Jahren, als im Prager Frühling 1968 die Russen ins Land einfallen. Er entscheidet sich innert Stunden zur Emigration, lässt alles zurück, was er aufgebaut und erworben hat, nicht nur in materieller Hinsicht, sondern vor allem die Reputation als Künstler. Er zieht nach Deutschland und kurz darauf in die Schweiz, nach Hergiswil, wo er seither lebt.
Milan Kundera, der weltberühmte, fast gleichaltrige böhmische Schriftsteller (Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins), der wie Sovak das Exil gewählt hat, bringt das Dilemma dieser Generation in Böhmen in einem Text über Sovak auf eine griffige Formulierung: «Das ist ein Teil des Schicksals unserer ganzen Generation: Bei keinem von uns lässt sich vor dem dreissigsten Lebensjahr eine genügend logische oder gar kontinuierliche Entwicklung nachweisen; jeder von uns hat mehr Zeit verstritten und verpolemisiert, als er je kreativ arbeiten konnte; in der Entwicklung eines jeden von uns gibt es eine lange Vorgeschichte und einen späten Anfang.»
Im Gespräch mit Du sagt Sovak: «Gewisse Dinge bleiben fürs Leben, Kleinigkeiten, die Erinnerung an ein Lächeln. Natürlich läuft das alles auch im Unterbewussten ab – der Weg ist nicht gesichert.» Der Künstler spekuliert auf sein Unbewusstes, er lauert auf den Impuls, darum arbeitet er so langsam. Eines seiner Bilder ist zum Beispiel datiert auf 1976–1987. Die Spanne bis zur Fertigstellung eines Werks kann auch deutlich länger sein. Er wehrt sich gegen die Beschleunigung der Zeit, indem er innehält und langsam geht.
«Was Sovak beschreibt, ist nicht sein inneres Selbst und auch nicht ein einzigartiger rauschhafter Augenblick, sondern eher das, was unbeweglich und fortdauernd vor ihm steht: die messbare, objektive Welt», schreibt Kunstexperte Hans-Peter Riese, der ihn seit Jahrzehnten kennt. «Der Bereich, über den Sovak sein Netzwerk spannt, ist nicht die Welt des Lebens, sondern die Welt des Seins.»
Struktur ist für ihn essenziell, auch, etwas in Struktur zu bringen. «Weil man in der Struktur die Ästhetik findet. Man sucht Ordnung, und die hat auch eine ästhetische Wirkung», sagt Sovak. Er hat verschiedene Schaffenslinien, verschiedene Themenreihen, doch eine Weiterentwicklung gibt es nicht, es gibt sie, darauf beharrt Sovak, in der Kunst grundsätzlich nicht. Denn Kunst sei kein Auto, das sich weiterentwickeln lässt. Kunst bleibt immer Kunst. Eine bronzene Skulptur aus Nigeria aus dem 12. Jahrhundert hat ihr eigenes Aussehen und eine gotische Plastik in Chartres ebenso. «Die alte Kunst ist nicht schlechter als die heutige, wenn schon, vom Können her, eher umgekehrt», sagt Sovak.
Er ist ein sehr sensitiver Mensch, klar und tief in seinen Gedanken, lebt zurückgezogen, umgeben von einem wildwüchsigen Garten. Er glaubt nicht, dass er eine tiefere Verbindung zu seinem Unbewussten hat als andere. «Aber viele Menschen lassen diese Verbindung nicht zu, hören nicht darauf. Ich nehme diese kleinen Meldungen sehr ernst.» Wenn er an eine neue Arbeit geht, hat er eine Idee oder eine Vorstellung und weiss, da ist etwas, das er machen muss. Aber wie sich das Bild herauskristallisiert und welche neuen Verbindungen und Relationen sich ergeben, das ist Sache des Prozesses.
Pravoslav Sovak gilt bei Kunstkennern als eine der herausragendsten Persönlichkeiten der Generation von Robert Rauschenberg und Richard Hamilton, ist aber auf dem Markt bislang unentdeckt. Grund für uns, den Schatz zu bergen.