Du 843 | Februar 2014 | Aus der Du-Schatzkammer – grosse Namen, grosse Geschichten
Aus der Du-Schatzkammer
grosse Namen, grosse Geschichten
Aus der Du-Schatzkammer: grosse Namen, grosse Geschichten
Von Oliver Prange
Zwei Jahre lang hat die ETH Library in Zürich daran gearbeitet, alle Du-Ausgaben seit der Gründung 1941 zu scannen und zu archivieren: von 41 bis 14.
Wenn Sie einen Blick in die Du-Schatzkammer werfen möchten, seien Sie herzlich willkommen: http://retro.seals.ch (Sachgebiet Künste). Wir haben uns bei der Arbeit immer wieder verloren in grossartigen Ausgaben zu grossen Namen und Geschichten:
– 1962 beschreibt die Du-Autorin ihre Erlebnisse mit Alberto Giacometti, mit dem sie über Jahre Wand an Wand in einem kleinen, geschlossenen Hof in Paris zusammenwohnte.
– 1945 berichtet Du von einem Besuch bei Pablo Picasso: «Der teure englische Filzhut beschattete wie ein verwitterter Pilz sein von innen glühendes, südländisches Gesicht. Die Krawatte sass schief, der Gürtel war lässig um die Lenden geschlungen. Und wiederum verstand ich dies: kein Reichtum würde je diesen Menschen zahm machen können.»
– 1990 sagt John Cage in New York zu Du: «Wem arm zu sein zu schwierig erscheint, der wird nie ein Künstler werden. Ich hielt es immer für das Wichtigere, zu komponieren. Die Entscheidung, Künstler zu werden, meint, uns etwas anderem als dem Dach über dem Kopf zu widmen.»
– 1956 wird die Du-Autorin Adjutantin von Charlie Chaplin, nimmt am Bahnhof Blumen für ihn in Empfang, liest seine Post – Tausende von Liebesbriefen – und sucht unter den vielen Einladungen die geeignetsten heraus; anstatt zu einem abgesetzten Kronprinzen geht es zu einem Abend bei Albert Einstein. «Wenn Charlie nicht komisch war und Witze machte und spielte, war er eher melancholisch.»
– 1976 beschreibt Du, wie Federico Fellini vor einem Film dicke Couverts voller Fotos mit sich schleppt. In diesen Couverts stecken Knaben, Männer, junge Frauen, Ungeheuer, Zwerge, kleine Mädchen.
– 1978 sagt Jasper Johns im Du-Gespräch: «Manchmal neige ich dazu, das Negative meiner Gedanken ans Licht zu holen, und ich versuche herauszufinden, ob es gleich viel wert ist wie das, was ich sage. Vielleicht nagelt man mich bei dieser Art Tätigkeit fest.»
– 1951 erklärt André Gide die Gründe, die ihn zum Schreiben nötigen. «Etwas vor dem Tode in Sicherheit bringen – und das eben treibt mich an in meinen Schriften.»
– 1963 besucht Du Hans Arp in seinem Atelier im Tessin. «Auf dem einen Tisch eine grosse offene Kartonschachtel – eine Arp’sche Schatzkiste, denn sie enthält einen unerschöpflichen Vorrat von aus Papieren und Kartons aller Arten und Farben ausgeschnittenen Formen, jener unverkennbaren Arp-Formen von gerundetem, gekurvtem Umriss, aus denen dann in schöpferischem Spiel Collagen entstehen.»
– 1982 sagt Marcel Duchamp, ein leidenschaftlicher Schachspieler: «Es (das Schach) hat mir wahrscheinlich dazu verholfen, das zu tun, was ich wollte – so wenig wie möglich zu malen und mich beim Malen nicht zu wiederholen.»
– 1986 betrauert Du den Tod von Joseph Beuys: «Joseph Beuys hat uns beharrlich Vorschläge gemacht und Prophezeiungen gewagt. In seinen Bildern triumphiert eine Wahrheit, die in jeder Vorstellung, in jedem Traum die Erde berührt.»
– 1989 wird der Du-Autor zum Geburtstagsfest von Miles Davis eingeladen, in Los Angeles, Beverly Hills, im ersten Stock von China-Meisterkoch Mister Chow, chambre séparée, zusammen mit anderen 36 special guests. Sir Miles Dewey Davis junior III., «the man with the horn»: «Ich nehme auf, was mir gut erscheint, oft unbewusst. Alte Sachen erfahren dadurch neue Formulierungen, und Neues wird mit Altem konfrontiert.»
– 1985 schreibt Alice Munro eine Erzählung über ihre Mutter für Du. 2013 erhält sie den Nobelpreis für Literatur. Tauchen Sie ein, liebe Leserin, lieber Leser, in die Du-Wunderkammer auf den nächsten Seiten.
Bebildert ist diese Ausgabe mit den Werken des Künstlers Carlo Anton Crameri, geboren 1947 in Zürich. Für Crameri ist es entscheidend, mit Klang, Wort und Bild zu durchdringen. Scheinbar materiell Dauerhaftes soll durch innere Transformation in dauerhafte Wahrheit, in essenzielle Weisheit umgelenkt werden.