å

Zurück zur Übersicht

Du 825 | April 2012

Los Angeles

Von Kunst und Künstlichkeit

 
Abonnieren

ISBN:
978-3-905931-19-8
Preis:
CHF 20.- / EUR 15.-
Status:
an Lager


Probe Lesen

Teil I

Tom Kummer
Nachtsonne über L. A.
Los Angeles galt als Synonym für Hollywood, Blendwerk
und Oberflächlichkeit. Annäherung an eine Stadt, die soeben
aus dem kulturhistorischen Schatten von New York tritt.

Melanie Martin / Mirko Martin
L. A. Crash – Traum und Wirklichkeit einer Stadt
Eine Fotoserie von Mirko Martin.

Liliane Lerch / Cheryl Himmelstein
Silicon Beach – das Silicon Valley des Südens
Venice Beach hat schon viel gesehen in seiner kurzen
Geschichte. Nun wird ein neues Kapitel geschrieben:
Die Techies halten Einzug.

Doris Berger
Panoramablick auf Pacific Standard Time
Wie eine regionale Geschichte zur amerikanischen
Kunstgeschichte wird.

Paul McCarthy im Gespräch mit Philipp Kaiser
Ein Loch in den Kopf bohren
Paul McCarthy hat die Entwicklung von Los Angeles als
Kunststadt in den letzten Jahrzehnten miterlebt.

Philipp Kaiser
Die Geburt der Kunstszene in Südkalifornien
Die legendäre Ferus Gallery prägte das Kunstgeschehen in
den 1960er-Jahren; etwa mit der ersten Einzelausstellung
von Andy Warhol.

Christoph Schaden
Make Something or Be Forgotten!
Zu den Bildspuren des Projekts The La Brea Matrix.

Portfolio Alex Prager
Girls on film – Eine cineastische Grammatik in Technicolor
Die Fotografin Alex Prager zeigt uns in dieser Mini-Retrospektive
ihre fotografische Welt, angesiedelt zwischen Schönheit,
Versprechen, Angst und Unbehagen.

This Brunner
A Bigger Splash in New Hollywood
Der Schweizer Kino-Pionier This Brunner lässt seine Freundschaften
mit Persönlichkeiten aus der Welt von Film, Kunst und Literatur Revue passieren.

John Waters im Gespräch mit This Brunner
Born to be bad – Hollywood entdeckt den sick humor
Ein Insider-Gespräch mit John Waters, Amerikas Enfant
terrible des Independent Movie.

Udo Kier im Gespräch mit This Brunner
«Wie in einer Waschmaschinenfabrik»
Der deutsche Schauspieler Udo Kier über sein Leben in
Hollywood, die Seele von Rainer Werner Fassbinder und
darüber, was ihn mit Marlene Dietrich verbindet.

Liliane Lerch
Eine wunderbar bunte Weltreise
Zwei Architekten verraten, was sie an Los Angeles lieben – und
was nicht in jedem Reiseführer steht.

Teil II

Andreas Herzau / Viktor Jerofejew
Die Stadt, die den Tränen nicht glaubt
In seinem neuen Buch Moskau – Moscow Street zeigt
der Fotograf Andreas Herzau den Alltag in der russischen
Metropole.

Teil III

Urs Stahels Sichtweisen
… und haben Sie die tiefe Schwärzung einmal gerochen …

Obrist Talk
«Unser Geist ist gefährlicher, als wir wissen.»

Ausstellungstipps von Juri Steiner

Stefan Zweifels Reflektorium
Surrealismus pur: eine unbekannte Erzählung von Raymond Roussel

Jazz
Esbjörn Svensson Trio

Medienpartnerschaft Migros-Kulturprozent
Ein junger Zürcher gibt an der Pariser Oper den Takt an

Medienpartnerschaft Glutmut
«Wir haben in den niederen Himmeln das Paradies gebaut.»

Die Eroberung des Unnützen von Dieter Meier
Berufshalber, Schorsch

  Du 825 | April 2012 | Los Angeles – Von Kunst und Künstlichkeit

Los Angeles

Von Kunst und Künstlichkeit

Der grosse Froschregen
Von Oliver Prange

Los Angeles ist alles, nur eine Stadt der Engel ist sie nicht. Paranoiker, Sinnsucher, Karrieristen, Fantasten – die Stadt ist bevölkert von vielen Freaks. Im Film Magnolia von Paul Anderson von 1999 regnet es zum Schluss Frösche. Alles gerät ins Schleudern. Was nicht seelisch gefestigt ist, gleitet aus. In der Bibel im zweiten Buch Mose, Exodus, heisst es: «Aaron streckte seine Hand über die Gewässer Ägyptens aus. Da stiegen die Frösche herauf und bedeckten ganz Ägypten.»
Menschen streifen durchs Leben. Verbindungen ergeben sich zufällig – das ganze Leben als eine Aneinanderreihung von zufälligen Ereignissen. Der Off-Sprecher sagt zum Ende des Films: «Wir haben mit der Vergangenheit abgeschlossen, aber die Vergangenheit nicht mit uns.»
Los Angeles ist alles, nur eine Stadt ist sie nicht. Es gibt keine Altstadt, keine Stadtmitte, Greater Los Angeles gehört aber mit achtzehn Millionen Einwohnern zu den grössten Metropolregionen der Welt. Als Europäer entwickelt man eine diffuse Sympathie für die Stadt, diffus deshalb, weil sich Zweifel unter die Sympathie mischen. Irgendetwas fehlt. Aber was?
Es gibt 45 000 Swimmingpools in Los Angeles, schreibt unser Autor Tom Kummer. Das sind etwa 35 Pools pro Quadratkilometer. Zu jeder Tageszeit patrouillieren durchschnittlich fünfzehn Polizeihubschrauber über dem Luftraum von Los Angeles. Dazu kommt noch ein gutes Dutzend Hubschrauber der Fernsehanstalten, Boulevardblätter und der Verkehrsüberwachung. «Nachtsonne» nennt man den Suchstrahl der Helikopter in der Nacht.
Die «Nachtsonnen» gleiten über die grössten Privatvillen der Welt im sogenannten Platinum-Dreieck von Bel Air, Beverly Hills und Holmby Hills. Sie begleiten Autoverfolgungsjagden, die im Fernsehen direkt übertragen werden.
Die Stadt der Engel ist ein von Hollywood mythologisiertes Niemandsland. Kenneth Anger hat die Geschichten um Intrigen, Sex und Verbrechen hinter den Kulissen der Traumfabrik in seiner berühmten Skandalchronik Hollywood Babylon treffend beschrieben.
Die Stadtgeschichte von L. A. lässt sich nur durch einen fiktiven Schleier betrachten, den Filmindustrie, Celebrity-Hysterie, Fernsehoder Youtube-Kultur über sie gebreitet haben. In Dutzenden von Filmen und Romanen wird L. A. lustvoll zerstört; von Ausserirdischen, Kometen, Sintfluten. Tatsächlich wird L. A. immer wieder von einer alttestamentarisch anmutenden Abfolge von Katastrophen heimgesucht. Sturmfluten, Tornados, Erdbeben, Dürren, Grossfeuer und bürgerkriegsähnliche Unruhen. Die amerikanische Megalopolis ist ein apokalyptischer Themenpark. Mike Davis, der wilde Mann der Soziologie, hat ihn in dem Buch Ökologie der Angst umrissen.
Aber Los Angeles ist auch die Kapitale der Traumwelt, vielleicht gerade deshalb. Hollywood versucht, mit Geschichten der Leere entgegenzuwirken.
Erinnern ist der Schlüssel. Mit Pacific Standard Time: Art in Los Angeles 1945–1980 haben die Getty Foundation und das Getty Research Institute in den letzten zehn Jahren als ein gesellschaftliches Projekt von historischer Bedeutung eines der grössten Archive zur südkalifornischen Kunstentwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut. Das Herzstück ist eine umfangreiche Oral History mit den bekanntesten Protagonisten der kalifornischen Kunstszene. Über sechzig Ausstellungen fanden bis zu diesem April statt. Eine Zusammenführung wird im Berliner Martin-Gropius-Bau bis zum 10. Juni gezeigt.
Du hat die Ausstellungsreihe zum Anlass für dieses Los-Angeles- Heft genommen. Wir trafen den Künstler Paul McCarthy, der mit seinen Performances Brutalität und Selbstzerstörung the-matisiert, gerade in dem Augenblick, als sich sein Künstler-Freund Mike Kelley das Leben genommen hatte und er für ihn eine wake organisierte, eine Totenwache.
Wir nahmen die legendäre Ferus Gallery in Augenschein, wo die erste Einzelausstellung von Andy Warhol mit seinen berühmten 32 Bildern der Campbell’s Soup Cans stattfand.
Der Schweizer Filmkenner This Brunner, der seit Jahrzehnten in der Film- und Kunstwelt in L. A. verkehrt, berichtet über seine Begegnungen mit Regisseuren, Schauspielern, Künstlern und spricht mit dem Enfant terrible des amerikanischen Independent Movie, John Waters, und dem Paradebösewicht Udo Kier.
In diesem subtropischen Klima treffen wir auf Genies und Heilige, Glücksritter und Scharlatane, Fantasten und Besessene und von Verfolgungswahn Gejagte – auf viele, die gross an Geist und Seele sind, auf die «Engel» von Los Angeles.